Sounddesign in Werbung
Sounddesign in Werbung oder wie Klangexperten Marken zum Klingen bringen
Sounddesign in Werbung – Das Soundlogo der kennt fast jeder: Fünf helle Töne auf dem Klavier, gespielt in einer Achtelbewegung, die in einer Sekunde ihr Ende findet. Was zunächst wie eine willkürlich gewählte Tonfolge erscheint, gilt als Musterbeispiel in der akustischen Markenführung – einer Disziplin, in der Marken zum Klingen gebracht werden. „In den Marketingabteilungen und den klassischen Werbeagenturen fehlt häufig die Expertise zum Einsatz von Klang für die Markenbildung und Markenpflege“, sagt Patrick Langeslag. Der Berater hat 2001 zusammen mit dem Komponisten Wilbert Hirsch die Audio Consulting Group in Hamburg gegründet, eine Beratungsagentur für akustische Markenführung. Heute hat die Firma Büros in London und New York und berät Unternehmen auf allen Feldern, in denen Musik und Klang zum Einsatz kommen. Dazu zählen klassische Werbespots, Podcasts, Telefonwarteschleifen, Klingeltöne, Kundenzentren und Messeauftritte, und natürlich auch die Produkte selbst. So ist das Ploppen des Bügelverschlusses einer Flasche Flensburger oder das Röhren eines Porsche-Motors das Kalkül von Produktspezialisten.
Musik wird schon seit Jahrzehnten in der Werbung eingesetzt. Werbebotschaften werden in Melodien verpackt, damit sie leichter in Erinnerung bleiben („Hier ist DEA, hier tanken sie auf“, „Auf diese Steine können Sie bauen – Schwäbisch Hall“, „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“). Musik weckt Emotionen und kann zum Kauf anregen. Man kann zwar wegsehen, aber nicht weghören und darum sind heute vor allem Soundlogos in Mode. Ein Soundlogo ist maximal drei Sekunden lang und enthält Musik oder Geräusche, die mit einer Stimme kombiniert sein können. Ein Soundlogo sollte einzigartig sein, wie ein akustischer Fingerabdruck, der den Hörer sofort an das Unternehmen oder die Marke erinnern lässt. So setzt Audi auf ein tieffrequentes Herzpochen, Konkurrent Fiat möchte an vier Pfeiftönen erkannt werden und Hornbach beendet Werbespots mit einem schrägen „Yippiejaja, Yipie Yipie Yeah“.
Soundlogos entstehen oft in einem mehrmonatigen Prozess, an dem Markenspezialisten, Komponisten und Musiker beteiligt sind. Wenn Musik und Marketing aufeinander treffen sind dies zwei Welten, die einander kaum verstehen. „Die einen sprechen von Tonarten, Rhythmen und Harmonien, die anderen über Markenwerte, Image und Zielgruppen“, sagt Langeslag. Und darum gibt es immer mehr Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, zu vermitteln. „Wir nehmen eine Art Dolmetscherrolle ein zwischen dem Kunden und den Musikern, die das Soundlogo am Ende komponieren“, sagt Langeslag.
Die akustische Markenführung ist eine junge Disziplin, kaum älter als zehn Jahre. Die Branche ist derzeit im Wachstum, Bedarf ist da. Aber auch Unverständnis. „Wir müssen nicht nur erklären, wie wir arbeiten, sondern auch, warum unsere Arbeit überhaupt wichtig ist und was sie am Ende bewirkt“, sagt Hirsch. In der Werbung wird dem Visuellen nach wie vor die größte Bedeutung zugeschrieben, zuerst das Bild, dann der Ton. Fast jedes große Unternehmen hat ein Corporate Design, visuelle Kommunikation ist seit den siebziger Jahren fester Bestandteil der deutschen Studienlandschaft. Die akustische Kommunikation hingegen fristet ein Nischendasein, auch weil empirische Belege für deren Wirkung fehlen.
„Marken werden mit allen Sinnen wahrgenommen, doch Klang wird im Vergleich zur visuellen Gestaltung stiefmütterlich behandelt“, kritisiert Carl-Frank Westermann. Westermann hat einst für die Band Fehlfarben am Keyboard gestanden, heute übersetzt er für die Agentur Metadesign Marken in Klänge. Der Vorgang sei mit viel Pionierarbeit verbunden. Wie wird über Musik und Klänge diskutiert? Nach welchen Maßstäben wird ein Soundlogo bewertet? Wo kann es eingesetzt werden? „Wenn alle Beteiligten über ein entsprechendes Fachvokabular verfügen und für das Thema sensibilisiert sind, ist das schon ein großer Schritt“, sagt Westermann, der bereits Unternehmen wie Audi, Lufthansa und Siemens beraten hat.
Wichtig für den Beruf des Klangberaters ist ein Verständnis von Marken und ein großes Interesse für Musik. „Nicht jeder muss Klavier spielen können“, schränkt Langeslag ein. Eine gute Grundlage sei ein BWL-Studium mit Schwerpunkt Marketing. „Es gab aber auch Soziologen, Musiker, Juristen und Psychologen, die bei uns ihre Diplom- oder Doktorarbeit geschrieben haben“, betont Langeslag. An einzelnen Universitäten werden derzeit Seminare zur akustischen Markenführung angeboten. Der Forschungsbedarf ist groß und die Zukunft der Disziplin hängt auch von der Etablierung wissenschaftlicher Standards ab.
Eine umfassende Sensibilisierung für die Arbeit mit Klang bietet der gebührenpflichtige Masterstudiengang Sound Studies an der Universität der Künste in Berlin. Hier lernen Wirtschaftswissenschaftler, Architekten, Ingenieure, Musiker oder Soziologen in vier Semestern, wie man Klänge erzeugt, beschreibt und einsetzt. Jeder Student bringt ein anderes Vorwissen mit. Es eint sie das Interesse für die Klanggestaltung. „Klang spielt in vielen Berufen eine Rolle. Wir wollen unseren Studenten die Ohren öffnen und ein Bewusstsein für den Einsatz und die Wirkung von Klängen schaffen“, sagt Professor Martin Supper, Leiter des Studienganges.
Professoren und Studenten diskutieren hier auch, in welchen Fällen der vermehrte Einsatz von Klängen zu einer „akustischen Umweltverschmutzung“ führen kann. Wollen wir die Werbetafel, die einen beim Vorbeigehen anspricht, den Cola-Automaten, der mit einem Zischen auf sich aufmerksam macht oder eine „verkaufsfördernde“ Dauerberieselung im Internet? „In der Werbung arbeitet man an der Grenze dessen, was die Gesellschaft akzeptiert. Bevor neue Werbeformen eingesetzt werden, sollte stets die Frage der sozialen Akzeptanz gestellt werden“, sagt Supper. Und vielleicht sind in Zukunft gerade die Unternehmen im Vorteil, die im richtigen Moment auf Stille setzen.
Quelle : Zeit.de